Weinführer biologisch, biodynamisch
und natürlich
Da Wein aus einem landwirtschaftlichen Produkt – den Trauben – gewonnen wird, können die Methoden, die zur Herstellung angewandt werden, ebenso vielfältig sein wie bei anderen Agrarerzeugnissen. Der konventionelle Weinbau beispielsweise ist eine Art der Landwirtschaft, bei der synthetische Pestizide und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Im biologischen Weinbau hingegen werden keine synthetischen Pestizide verwendet, sondern lediglich Produkte natürlichen Ursprungs. Der biodynamische Weinbau hat viel mit dem biologischen Anbau gemeinsam, nur dass er diesen um eine ganzheitliche Komponente mit einem ganzen System experimenteller Praktiken ergänzt.
In den letzten zwanzig Jahren werden die konventionelle Landwirtschaft mit ihrem massiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowohl von den Verbrauchern als auch den Erzeugern selbst in Frage gestellt. So findet ein allmählicher Wandel des landwirtschaftlichen Produktionssystems statt, dem sich auch der Weinbau nicht entziehen kann. Die Produktionsprozesse werden immer natürlicher, mit nachhaltigen, biologischen, biodynamischen und natürlichen Ansätzen sowohl bei der Bewirtschaftung als auch bei der Vinifikation. Diese Entwicklung ist bereits seit vielen Jahren im Gange, aber seit Ende der 2000er Jahre hat die Dynamik zugenommen.
Der Weg zu natürlicheren landwirtschaftlichen Produktionsmethoden: eine langsame Entwicklung, die in den letzten 20 Jahren an Fahrt aufgenommen hat
Die Modernisierung der Landwirtschaft und die Einführung von Pflanzenschutzmitteln Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts führten zu deutlichen Fortschritten in Bezug auf die Produktivität und landwirtschaftliche Qualität, riefen aber auch schnell Kritik hervor. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wollen Intellektuelle, Agrarwissenschaftler, Ärzte, Landwirte und Bürger alternative landwirtschaftliche Produktionsmethoden fördern, die auf mehr oder weniger traditionellen Methoden beruhen und ohne Zusatzstoffe auskommen. So schlug beispielsweise der englische Botaniker Albert Howard nach dem Studium der althergebrachten indischen Landwirtschaftspraktiken ein Modell vor, das auf der Erhaltung der Böden und den Wechselwirkungen zwischen Ökosystem und Umwelt beruht. Er sollte später die ökologische Bewegung inspirieren. Etwa zur gleichen Zeit hielt der österreichische Philosoph Rudolf Steiner eine Reihe von Vorträgen (Landwirtschaftlicher Kurs, acht Vorträge, die vom 7. bis 16. Juni 1924 in Koberwitz, Polen, stattfanden), die dem biodynamischen Anbau den Weg ebneten. Jedoch waren diese Bewegungen in ihren Anfängen eher anekdotischer Natur und marginal.
Die alternativen Anbaumethoden entwickelten sich langsam, da sich die Nachfrage der Verbraucher und die Gesetzgebung im Laufe der Zeit veränderten. Diese Bewegungen, die als Gemeinschaftsinitiativen begannen, wurden nach und nach immer besser organisiert, bis sie schließlich offiziell und gesetzlich verankert wurden. Das Wachstum der Bio-Weinbaufläche und der Bio-Landwirtschaft insgesamt beschleunigte sich ab 1995 und insbesondere ab 2007: Die 14 632 Hektar große bio-zertifizierte Weinbaufläche (im Jahr 2007) wurde bis 2017 auf 78 502 Hektar erweitert. Seit 2012 ist das Wachstum jedoch schwächer. Der Bio-Anbau macht damit etwa 10 % des nationalen Weinbaus aus.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden in ganz Europa Bewegungen einer alternativen Landwirtschaft. Zu den Pionieren dieser Bewegungen gehörte Rudolf Steiner, der als Begründer der biodynamischen Landwirtschaft gilt, obwohl er diesen Titel nie persönlich für sich beansprucht hat. Die Vorträge, die er 1924 vor Landwirten hielt, gelten als die Geburtsstunde des biodynamischen Anbaus, und trugen zunächst den Titel „Biologische Düngung“. Nur wenige Jahre später, nach seinem Tod im Jahr 1925, wurde der Begriff „biodynamisch“ mit Steiners Arbeit in Verbindung gebracht und seine Vorträge wurden in „Biologische und dynamische Landwirtschaft" umbenannt (1930). Lange Zeit kursierten diese Aufzeichnungen nur am Rande und vor allem in Zusammenhang mit der Anthroposophie. Erst 1963 wurde sein Werk richtig veröffentlicht. Die Vorträge von 1924 führten zur Gründung eines experimentellen Kreises anthroposophischer Landwirte unter dem Vorsitz von Graf Keyserlingk – auf dessen Gut Steiner die Vorträge hielt – und unter Leitung von Erhard Bartsch. Letzterer war auch Teil der Demeter-Genossenschaft, die 1928 in Deutschland gegründet wurde, um die Erzeugnisse der ersten biodynamischen Höfe zu vermarkten. Im Jahr 1932 wurde der Demeter-Verband gegründet, um biodynamische Produkte zu zertifizieren.